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Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Der Skandal von St. Pölten
Papsttreue oder Krenntreue?

Die österreichische Illustrierte "Profil" brachte am 12. Juli 2004 einen Artikel über das Priesterseminar von St. Pölten. Auf Computern des Seminars hatte die Kriminalpolizei kinderpornographische Dateien sichergestellt. Mit Fotos, die bei privaten Feiern aufgenommen worden waren, belegte die Zeitschrift den Vorwurf, dass der Regens Ulrich Küchl und der Subregens Wolfgang Rothe ohne Wissen von Bischof Kurt Krenn homosexuelle Beziehungen am Seminar geduldet und selbst in solchen Beziehungen zu Seminaristen gestanden hätten. Papst Johannes Paul II. schickte den Bischof von Feldkirch, Klaus Küng, als Apostolischen Visitator nach St. Pölten und machte ihn dann zum Nachfolger Krenns.

Schon als Wiener Weihbischof hatte der frühere Regensburger Theologieprofessor Krenn wegen der Intelligenz und Eloquenz, die er als Verteidiger streng kirchlicher Standpunkte mit großer Wirkung auch auf die säkulare Öffentlichkeit bewies, sowohl Hass als auch Bewunderung auf sich gezogen. Seine treuesten Anhänger betreiben eine eigene Zeitschrift und haben nun auch in Buchform (Reinhard Dörner [Hrsg.]: "Der Wahrheit die Ehre!" Der Skandal von St. Pölten. Books on Demand, Norderstedt 2008. 196 S., br., 15,50 [Euro]) ihre Sicht der Dinge dargelegt, wonach Krenn das Opfer einer Intrige seiner Mitbrüder im österreichischen Episkopat geworden ist. Es wird die Autoren in ihrer Theorie einer Verschwörung nur bestärken, dass eine kritische Besprechung ihres Werkes auf der Homepage von Altbischof Krenn erschienen ist, für die ein in St. Pölten ansässiger habilitierter Theologe verantwortlich zeichnet, der eine Kurzfassung seiner Besprechung auch bei Amazon eingestellt hat. Die Autoren deuten an, dass ihr Held, der nicht mehr öffentlich in Erscheinung tritt, in der Gewalt seiner Feinde sei. Seine Sekretärin schirme ihn ab - dieselbe Sekretärin, die angeblich am 28. November 2003 die Anzeige wegen der Kinderpornographiefunde zunächst nicht an die Staatsanwaltschaft faxte, sondern "versehentlich" an "profil".

Den Hauptteil des Buches bildet ein Beitrag von Gabiele Waste, einer Romanistin, die als ehemalige Mitarbeiterin der römischen Kurie vorgestellt wird. Mit medientheoretischem Vokabular will sie den Skandal als Fiktion entlarven. Nun weist die Geschichte tatsächlich eine skandaltypische Dynamik auf, die als Eigendynamik nicht vollständig charakterisiert ist, weil dieser Begriff von den Akteuren abstrahiert. Die Denkbarkeit ist nicht von der Hand zu weisen, dass Krenns Kritiker die reißerischen Übersteigerungen der Boulevardmedien als Nebenfolgen in Kauf genommen haben, um durch öffentlichen Druck eine Neuordnung in St. Pölten zu erzwingen. Doch die Fiktionsthese ginge nur auf, wenn an den Zuständen nichts Anstößiges gewesen wäre.

Küchl und Rothe haben sich vor den Zivilgerichten gegen die Presse und vor den kirchlichen Instanzen gegen die vom Visitator über sie verhängten Maßregeln zur Wehr gesetzt. Die Kritik des Buches an den Urteilen des Wiener Landes- und Oberlandesgerichtes, die "Profil" bescheinigten, den Wahrheitsbeweis im Kern geführt zu haben, unterschlägt die eingehende Würdigung der Glaubwürdigkeit der verschiedenen Zeugen. Selbst wenn man die Natur der Beziehungen dahingestellt lässt, die die Fotos inniger Umarmungen dokumentieren, wird man zustimmen, wenn Bischof Küng in seiner Stellungnahme zum Buch feststellt, die Aufnahmen, die auch in den kirchlichen Strafverfahren nicht die ausschlaggebenden Beweismittel gewesen seien, zeigten "jedenfalls eine Nähe und Haltungen, die für Amtsträger nicht passend sind".

Die kirchlichen Verfahren wurden am 5. März dieses Jahres durch ein Dekret der Kleruskongregation beendet. Alle Verfügungen Küngs wurden "endgültig bestätigt", die dagegen eingelegten Rechtsmittel "nicht angenommen". In der Bewertung dieses letzten Wortes spalten sich die Autoren. Während Frau Waste "eine durch und durch ausgewogene Entscheidung des Heiligen Stuhls" lobt, da die Rechtsmittel nicht verworfen, sondern eben nur nicht angenommen worden seien, sieht der Herausgeber den "Gipfel an Skandal". Er fordert den Papst auf, das von ihm am 28. Januar approbierte Dekret zu annullieren und sich "persönlich" der Sache anzunehmen. Dass der Papst nicht wusste, was ihm Kardinalsstaatssekretär Bertone zur Unterschrift vorlegte, ist nicht nur deshalb unwahrscheinlich, weil der Doktorvater des jüngst mit einem Buch zur brennenden Frage der "Pastoral ohne Pastor?" hervorgetretenen Kirchenrechtlers Rothe Benedikts Sekretär Georg Gänswein war.

Dem Buch ist ein Motto aus "Strizz" vorangestellt, der Satz, mit dem Berres am 27. Mai 2008 den Vorschlag von Strizz abwies, den Chef auszuspähen: "Die Rechtmäßigkeit einer Handlung bemisst sich nicht nach der Dringlichkeit der Wünsche des Rechtbrechers." Die Vorstellung Dörners, der als Vorsitzender eines "Zusammenschlusses papsttreuer Vereinigungen" firmiert, Benedikt habe den Abschlussbescheid einer weltweit beachteten Strafsache unbesehen unterschrieben, ist der Übergriff einer indiskreten Phantasie, die der cheftreue Berres nicht billigen könnte. Patrick Bahners

Text: F.A.Z., 18.08.2008, Nr. 192 / Seite 37


Leserbriefe zur Rezension in der FAZ

Weder Sieger noch Besiegte

Zu "Der Skandal von St. Pölten / Papsttreue oder Krenntreue" im Feuilleton der F.A.Z. vom 18. August: Wie der Rezensent richtig schreibt, liegt die Schwäche des ansonsten brillant recherchierten Buchs "Der Wahrheit die Ehre! / Der Skandal von St. Pölten" in der negativen Beurteilung der päpstlichen Entscheidung, mit der die Causa abgeschlossen wurde. Dem veröffentlichten Wortlaut des römischen Dekrets zufolge handelt es sich nämlich um eine Entscheidung, die sowohl von den Gefolgsleuten des unfreiwillig zurückgetretenen St. Pöltener Bischofs Kurt Krenn als auch von den Gefolgsleuten seines unglücklichen Nachfolgers Klaus Küng unterschiedlich, aber übereinstimmend falsch beurteilt wurde: Rom hat entschieden, nicht zu entscheiden. Damit wurde sowohl der gute Ruf von Bischof Küng als auch der der moralischer Fehltritte beschuldigten Mitarbeiter seines Vorgängers wiederhergestellt. Mit anderen Worten: Es gibt weder Sieger noch Besiegte. Ist das nicht wahrlich christlich?

Paul Haas, Krems, Österreich
Text: F.A.Z., 29.08.2008, Nr. 202 / Seite 43

Was nur geht in St. Pölten vor sich?

Zu "Papsttreue oder Krenntreue?" (F.A.Z. vom 18. August): Der von Ihrer Zeitung als erster großer überregionaler Zeitung gewürdigte Kirchenkrimi "Der Wahrheit die Ehre" (lieferbar in Österreich durch die A. Engelmann) entbehrt einiger pikanter aktueller Details. Der von seinen eigenen Mitbrüdern im Bischofsamt unfassbar gedemütigte Bischof Kurt Krenn darf von seinem engen Vertrauten und jahrzehntelangen Freund Friedrich Engelmann nicht besucht werden. Langjährig mit Bischof Krenn befreundeten Ärzten ist jeder Besuch untersagt. Was läuft da seit mehr als vier Jahren ab? Ist da eine ganz reale innerkirchliche Giftküche am Werk, wie es auch der sicherlich im Geruche etwaiger "Rechtskirchlichkeit" gerade nicht stehende Autor Dietmar Scharmitzer ("Opus Dei. Das Irrenhaus Gottes", Edition Vabene 2008) anzudeuten weiß? Ich kann über ein Faktum nicht hinweg: Der zur Ausübung des Arztberufes nicht berechtigte Nachfolger am Bischofsstuhl von St. Pölten, Dr. Klaus Küng, behandelte den ihm unliebsamen Krenn-Vertrauten, Priester Dr. Wolfgang Rothe, nachweislich mit der Substanz Lorazepam (Österreich: "Temesta"), bevor dieser, stark benommen, nächtens vom Balkon seiner Wohnung fiel und sich durch Gottes Fügung nur den Arm und nicht das Genick brach. Eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung wurde vom St. Pöltener Staatsanwalt Dr. Peter Ficenc deswegen zurückgelegt, "weil davon auszugehen ist, dass es bei Dr. Klaus Küng an jeglichem Verletzungsvorsatz fehlte" (Zitat aus Akt: 198 4 St 474/06 h - 2). Österreichische Provinzposse - oder mehr? Die Diskussion muss weitergehen.

DR. FRIEDRICH ENGELMANN, KLEINZELL, Österreich
Text: F.A.Z., 02.09.2008, Nr. 205 / Seite 7

Ohne Unterschrift

Patrick Bahners hat am 18. August im Feuilleton der F.A.Z. das Buch "Der Wahrheit die Ehre! Der Skandal von St. Pölten" besprochen. Sein Bemühen um Ausgewogenheit und Objektivität berührt angenehm. Dass dabei der Eindruck einer gewissen Ambivalenz entsteht, war wohl nicht zu vermeiden, schließlich konnte der Rezensent das mehrere tausend Seiten umfassende Aktenmaterial dieser Causa nicht kennen und erst recht nicht überprüfen. Genau das hat allerdings auch der Papst nicht getan, wie hätte er es auch tun können? Und übrigens: Eine Unterschrift des Papstes unter den Abschlussbescheid der weltweit beachteten Strafsache existiert ebenso wenig wie ein Originalexemplar dieses Dekretes. Selbst die Adressaten des Bescheides haben nur ein Papier mit dem Vermerk COPIA erhalten, ohne Unterschrift Benedikts. Die Denkbarkeit ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Intrige bis in die höchste Kirchenspitze hinaufreicht.

Prälat Ulrich Küchl, Propst, Eisgarn, Österreich

Der Ruf bleibt ruiniert

Die Rezension von Patrick Bahners in der F.A.Z. vom 18. August würdigt das Buch „Der Wahrheit die Ehre” über den „Skandal von St. Pölten” ausführlich, doch nach meinem Eindruck zum Teil einseitig, etwas spekulativ, nicht genügend an den Fakten orientiert. Schon der Titel „Papsttreue oder Krenntreue?“ führt nicht zum Kern der Sache, sondern verschleiert ihn eher und führt das Thema auf ein Neben-gleis. Den Buchautoren geht es nicht so sehr um die Frage der Treue zu wem auch immer, sondern um die nüchterne Darlegung von Fakten und Zusammenhängen in der Causa St. Pölten. Dabei wird auch vor einer unverblümten Kritik an kirchlichen Amtsträgern nicht haltgemacht. Es ist durchaus erhellend, dass sich das Sachbuch nicht darauf beschränkt, „Medienschelte” zu üben und die Sensationslust der „veröffentlichten Meinung” anzuprangern, sondern auch jene innerkirchliche Intrigen aufdeckt, die offenbar auf das Ziel zusteuerten, Bischof Dr. Kurt Krenn durch eine inszenierte Schlammschlacht kaltzustellen und danach seinen Rücktritt herbeizuführen, was nach erfolgter Kampagne leicht zu bewerkstelligen war.

Vor allem der Beitrag von Dr. Gabriele Waste ist medienwissenschaftlich auf-schlussreich; viele ihrer sprachanalytischen Ausführungen lassen sich auch auf andere Kampagnen übertragen und sind von bleibendem Interesse. Besonders wichtig ist ihr Hinweis auf den rechtskräftigen juristischen Sieg, den Prälat Ulrich Küchl, der ehemalige Regens des Priesterseminars von St. Pölten, im Dezember 2007 gegen die linksorientierte Illustrierte „Profil” erringen konnte. Das kirchenkritische Magazin war auch nach dreieinhalb Jahren nicht in der Lage, den Beweis für die im Sommer 2004 erhobenen Anschuldigungen gegen den damaligen Regens zu erbringen, weshalb es eine herbe Niederlage einstecken musste. Der Sieg des Kampagnen-Opfers Küchl wurde in den Medien fast komplett totgeschwiegen. Leider wird im Zuge einer sensationslüsternen Vernichtungsjagd nicht selten der rechtsstaatliche Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten” ignoriert. Statt einer abwartenden Unschuldsvermutung wird eine öffentlichkeitswirksame Anklage losgetreten, gegen die sich der Beschuldigte kaum wehren kann. Gewinnt der Betroffene das Verfahren nach Jahren, kräht kaum noch ein Hahn danach, sein Ruf bleibt ruiniert. Es ist das Verdienst dieses Buches, diese Zusammenhänge aufzuzeigen und ein Warnsignal zu setzen, damit zuküntige Vernichtungsfeldzüge besser durchschaut werden.

FELIZITAS KÜBLE, VERLAGSLEITERIN, MÜNSTER
Text: F.A.Z., 12.09.2008, Nr. 214 / Seite 11



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